Amore veneziano
Fr
11.11., So 13.11., Di 15.11. (Barrierefrei
- dt.SDH!)
| 18:30
Do 10.11., Sa 12.11., Mo 14.11.(Plattdeutsche Version), Mi 16.11. | 20:30
Do 10.11., Sa 12.11., Mo 14.11.(Plattdeutsche Version), Mi 16.11. | 20:30
Mittagsstunde
Lars
Jessen | DE 2022 | FSK 12 | 93 Min.
Drei
kurze Sequenzen stehen am Anfang von "Mittagsstunde"; drei
Momentaufnahmen aus dem Lauf der Zeit. Sie spielen in verschiedenen
Jahrzehnten in Brinkebüll, dem fiktiven Dorf irgendwo in der Nähe
von Husum, das in diesem Film ein Hauptdarsteller ist. Zuerst
sieht man 1965 den Gasthof von Sönke Feddersen, eine junge Frau
läuft heraus und davon, ins Weizenfeld, wo sie eine Zigarette raucht
und Wolken guckt, eine große Idylle.
1976
geht es weiter, die Frau heißt Marret Feddersen, wie man jetzt
erfährt, sie fürchtet den Weltuntergang. Der wird in diesem Jahr
für sie auch kommen, aber noch herrscht Alltag - Marret steht vorm
Lebensmittelgeschäft, in dem ordentlich Andrang ist. Marrets
Verstand, das merkt man dieses Mal, ist ein bisschen entrückt,
"verdreht" sei sie, sagen die Leute, aber niemand stört
sich daran. Das Dorf ist solidarisch.
Die
letzte Sequenz spielt 2012, Sönke Feddersen ist alt, seine Frau Ella
dement, das Dorf ein Niemandsland. Die Straßen sind gerade, die
Läden weg, nirgends Menschen, wie es halt aussieht in vielen
Ortschaften der Gegenwart. So ziehen die strukturellen und sozialen
Veränderungen vorbei, die die letzten fünfzig Jahre mit sich
gebracht haben, und schön sind sie nicht. Der Film wird weiterhin
diese drei Zeitebenen lose verweben, so setzt er ein Bild des
Verlusts zusammen, das ihn über weite Strecken mit
Melancholie erfüllt. Es gibt ein weiteres Mitglied der Familie
Feddersen, Ingwer. 1976 war er zehn Jahre alt, inzwischen ist er
längst Dozent an der Uni in Kiel. Ingwer legt zwei Freisemester ein
und kehrt zurück zu "den Alten" nach Brinkebüll, zur
Verblüffung seiner Kieler Freunde. Aber er will sich jetzt mal
kümmern, solange sie noch leben, selbst wenn sie von ihm
nichts erwarten.
Mit
Ingwer führt die Schriftstellerin Dörte Hansen durch ihren Roman
"Mittagsstunde", mit Ingwer führt Regisseur Lars Jessen
jetzt auch durch den Film. Und durch die verzwickte Geschichte der
Feddersens, die ein kleines Psychodrama für sich ist, neben den
größeren Dramen wie Flurbereinigung und Landflucht, neben dem
unerbittlichen Voranschreiten der Zeit.
Trotz ihrer Kühle sind sie sensibel in Brinkebüll, das macht Jessen schon klar. Vor allem über Sönke Feddersen, der dem heimgekehrten Nachwuchs mehr Blicke als Worte schenkt. Aber die haben meist tiefere Bedeutung als der Dialog, das versteht man mit Ingwer, der von Charlie Hübner gespielt wird, und zwar grandios. Leichten Schrittes schlendert er durch den schwermütigen Ort, immer aufmerksam für die Umgebung, die ihm allmählich eine neue Perspektive auf sein eigenes Leben eröffnet.
Trotz ihrer Kühle sind sie sensibel in Brinkebüll, das macht Jessen schon klar. Vor allem über Sönke Feddersen, der dem heimgekehrten Nachwuchs mehr Blicke als Worte schenkt. Aber die haben meist tiefere Bedeutung als der Dialog, das versteht man mit Ingwer, der von Charlie Hübner gespielt wird, und zwar grandios. Leichten Schrittes schlendert er durch den schwermütigen Ort, immer aufmerksam für die Umgebung, die ihm allmählich eine neue Perspektive auf sein eigenes Leben eröffnet.
Jessen
zeigt viel vom früheren Alltag, angefangen beim regen Treiben im
Gasthof, in dem alle Feddersens mithelfen, bis hin zum mysteriösen
Verschwinden Marrets - von ihr sind nur zwei Fußabdrücke im Teer
der Hofeinfahrt übrig, als wäre sie in die Luft aufgestiegen und
wie die Vögel davongeflogen. Das kombiniert er mit der Gegenwart, in
der Ingwer etwas Luxus ins Leben der Alten bringen will und damit
scheitert, oder beim Line-Dance-Club mitwippt, um die Laune zu
befördern. Es ist eher unspektakulär, was Jessen erzählt,
spektakulär ist, wie er das Persönliche an die Betrachtung
gesellschaftlicher Zustände knüpft.
Dazu
kommen Figuren, für die er sich eben nicht dem Unfug unterwirft,
Menschen vom Land "skurril" zu zeichnen, sondern sie so
traurig, müßig, schlecht gelaunt sein lässt wie alle anderen auch.
Gefühlvoll werden sie selten, manchmal gewährt er ihnen eine
überraschende Freundlichkeit. Durch diese Figuren, durch ihr
sanftmütiges Verhalten zueinander, gibt Jessens Film doch Anlass zur
Hoffnung. Obwohl er doch streng den Schaden vorführt, den Dörfer,
Gesellschaft und Natur in den vergangenen fünfzig Jahren
genommen haben.