Robin Bank
Mo 27.02.| 18:30 + So 26.02., Di 28.02. | 20:30
Anna Giralt Gris | ES/DE 2022 | FSK 12 | 83 Min. | OmU
Mit Jean Paul Getty gesprochen: „Hast Du tausend Euro Schulden bei einer Bank hast Du ein Problem, hast Du bei Banken eine halbe Million Euro Schulden haben offensichtlich die Banken ein Problem.“ Die Regisseurin Anna Giralt hat für ihre engagierte Dokumentation den katalanischen Aktivisten Enric Duran aufgespürt, der sich im Zeitraum von 2006 bis 2008 bei 39 Banken umfangreiche Kredite ohne das Vorliegen jeglicher Sicherheiten oder Immobilien erschlich und das Geld gänzlich an soziale Initiativen und „alternative Bewegungen“ spendete. Seit 2009 lebt der moderne „Robin Hood der Banken“ untergetaucht.
Kritiken:
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“, lässt Bertolt Brecht Mackie Messer in seinem Theaterstück Die Dreigroschenoper proklamieren. Diese Art der Relativierung hat zwar weder mit Justiz noch mit Logik sonderlich viel zu tun, ist aber gemeinhin ziemlich beliebt. Die Phrase wirft darüber hinaus Fragen nach Legitimität und Legalität auf. Etwas, das legal ist, muss noch lange nicht legitim sein. Vice versa können sich legitime Aktionen außerhalb der Legalität bewegen. In Robin Bank nähert sich Regisseurin Anna Giralt Gris diesem Thema am Beispiel von Enric Duran, ohne dabei die Nuancen auszuloten.
Die Suche nach einem sozialen Bankräuber
Von Duran gehört hatte Gris schon früh. „Ich habe 492.000 Euro von jenen geraubt, die uns am meisten bestehlen“, ließ der Katalane im Jahre 2008 verlauten. Mit „jenen“ bezog er sich auf 39 Banken, bei denen er Kredite aufnahm, die er nicht zurückzahlte. Wie genau er das bewerkstelligt hat, darüber sollen die informativen, simpel gehaltenen Animationen in der Dokumentation Aufschluss geben. Es ist jedenfalls verblüffend, wie einfach es war.
Die Regisseurin tritt nie selbst in Erscheinung, erzählt die Dokumentation im Original allerdings via Voiceover. Duran zu finden, der im Verborgenen lebt, um einer Gerichtsverhandlung zu entgehen, war für sie überraschenderweise nicht schwierig. Der Weg führte über seine Mutter, die ihn selbst sieben Jahre lang nicht mehr gesehen hatte, aber weiterhin online Kontakt mit ihm pflegte. Bis Gris Duran sieht, dauert es noch etwas, vorerst erhält sie Audiodateien oder konversiert mit seinem Anwalt.
Ein fraglicher Held
Wie so viele so genannte Aktivisten ist Duran ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, vermeintliche Missstände anzuprangern. Lösungsvorschläge oder Alternativen werden jedoch nicht geliefert. Auch Gris muss im Zuge ihrer Recherchen und Dreharbeiten zu der Erkenntnis gelangen, dass Duran nicht dem idealisierten Helden entspricht, für den sie ihn eine ganze Weile lang gehalten hat. Er ergriff zwar die Initiative, seine wahren Motive bleiben aber im Dunkeln, verstecken sich hinter Floskeln. Auch der Verbleib des entwendeten Geldes lässt sich nicht vollumfänglich nachverfolgen. Er selbst bleibt in seinen Aussagen dazu vage.
Robin Bank ist eigentlich keine Dokumentation über Enric Duran und seine Taten. Oder nur an der Oberfläche. Sonderlich in die Tiefe geht es hier sowieso nicht. Im Grunde ist es ein Lehrstück über Heldenverehrung und Wahrheitssuche. Gris ist es anzurechnen, dass sie ihre eigenen Überzeugungen im Laufe der Zeit hinterfragt und aufgrund neuer Erkenntnisse von der ursprünglichen Idee abweicht. Neuzeitliche Dokumentarfilmer zeigen mittlerweile eher die Tendenz, an der initialen Sichtweise festzuhalten und widersprechende Informationen auszublenden.
Er wurde bekannt als der Robin Hood der Banken: Enric Duran narrte 2008 die Finanzwelt. Er führte das absurde Kreditsystem der Bankenwelt vor, indem er sich Kredite in Höhe von einer halben Million Euro erschlich. Diese zahlte er nie zurück und unterstützte damit soziale Initiativen sowie „alternative Bewegungen“. Doch der Preis dafür war hoch: Duran musste untertauchen und lebt bis heute im Exil. 16 der von ihm betrogenen Banken fordern bis heute eine Haftstrafe. Regisseurin Anna Giralt Gris erzählt in „Robin Bank“ die beeindruckende Geschichte dieser außergewöhnlichen Person, der sich zwischen den idealistischen Vorstellungen eines überzeugten Aktivisten und unserer gesellschaftlichen Realität bewegt.
Wer ist dieser Mann, der in gewisser Weise sein eigenes Leben, seine Freiheit, opferte, um die Gesellschaft zum Aufbegehren gegen unsere vorherrschende Wirtschaftsordnung zu bewegen. Ein Mann, der im Alter von 30 Jahren damit begann, Geld von denjenigen „zu rauben, die uns am meisten bestehlen“ – den Banken. Und der seit fast zehn Jahren nicht in seine spanische Heimat zurückkehren kann. Filmemacherin Gris gelingt es, hinter die Fassade zu blicken, die Motivationen und Denkweisen von Duran herauszuarbeiten und dem Zuschauer detailliert zu präsentieren.
Dafür spricht sie ausführlich mit Durans Mutter, die sich erst sträubt, mit der Regisseurin über ihren Sohn zu reden – allmählich aber immer mehr Vertrauen zu ihr gewinnt. In langen Unterredungen gewährt die ältere Dame, die ihren Sohn seit vielen Jahren nicht gesehen hat, Einblicke in das Wesen und den Charakter ihres Jungen. Ein Mensch, der schon als Schüler wenig an Leistungsvergleichen und am Kampf um die besten Noten interessiert war (obwohl er einer der besten Schüler war).
Dramaturgisch clever montiert Gris Originalaufnahmen und Archivbilder von Durans politischen Aktionen, darunter Aufnahmen der ersten Proteste des zivilen Ungehorsams ab den mittleren 2000ern. Als Duran und seine Mitstreiter unter anderem diverse Wirtschaftsgipfel, an denen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank beteiligt waren, mit ihren friedlichen, aber Aufsehen erregenden Protestaktionen störten.
Die insgesamt dynamische Inszenierung und das hohe Erzähltempo sind der Spannungskurve in „Robin Bank“ sehr dienlich. Und schließlich gelingt es der engagierten, empathisch auftretenden Regisseurin auch, Kontakt zu Duran selbst aufzunehmen. In Chat-Protokollen offenbart der Antikapitalist und entschiedene Gegner unseres westlichen Finanzsystems seine Beweggründe und künftigen Pläne. Zusammen mit Ausschnitten aus TV-Interviews, allen voran aus der Zeit nach Bekanntwerden seines großen „Banken-Coups“ in den Jahren 2008 bis 2010, lernt der Betrachter auf diese Weise Duran Stück um Stück besser kennen. Und erfährt, was ihn im innersten antreibt: die Schwächen des Kapitalismus als bestimmendes Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell offenzulegen, die Welt fairer sowie den Planeten zu einem besseren Ort zu machen
Einen angenehmen, passenden und objektiven Gegenpart zu den Interviews und Äußerungen der Mutter sowie von Duran selbst stellen die sachlichen, einordnenden Kommentare einiger Wirtschaftsfachleute und externer Experten dar.